Friedreich Ataxie (FA) ist eine seltene (1:50.000) neuro-muskuläre, progressive und rezessive genetische Erkrankung; das bedeutet (a) Symptome werden stärker oder mehr (b) der genetische Fehler ist vererbbar und (c) das gesamte System „Mensch“ (inkl. Nervensystem, Muskeln, Organsystem und das psychische System) ist davon betroffen. Die Krankheit bricht oft in der Pubertät aus, manchmal jedoch auch bereits im Kindes- oder erst im Erwachsenenalter. Der Verlauf ist fortschreitend, jedoch individuell. Folgende Symptome können auftreten:

Diese Symptome sind in Zusammenhang mit FA bekannt, müssen aber nicht alle auftreten. Mehr Infos auf:

Andere FA Gruppen (nicht alle)

Medizinische Infos

Auf FA spezialisierte Kliniken in Österreich

Diagnose

Die Diagnose der FA erfordert eine gründliche Untersuchung und Bewertung durch einen Arzt oder eine Ärztin, vorzugsweise spezialisiert auf neurologisch-degenerative Erkrankungen oder genetische Erkrankungen.

Zuerst wird eine ausführliche Krankengeschichte, einschließlich familiärer Vorgeschichte, erstellt. Danach wird eine gründliche klinische Untersuchung durchgeführt, um Symptome von Ataxie, Muskelschwäche und anderen neurologischen Anzeichen zu identifizieren.

Der wichtigste Schritt bei der Diagnose von FA ist die genetische Untersuchung des Blutes. Die meisten Fälle von FA werden durch eine Mutation im Frataxin-Gen verursacht.

Magnetresonanztomographie (MRT) oder andere bildgebende Verfahren können eingesetzt werden, um Veränderungen im Gehirn oder im Rückenmark zu identifizieren, die auf FA hindeuten könnten.

Da FA oft mit Herzproblemen einhergeht, können Herzuntersuchungen wie Echokardiographie oder Elektrokardiogramm (EKG) durchgeführt werden. Es ist wichtig zu betonen, dass die Diagnose von FA inkl. der möglichen weiteren Diagnosen (z.B.: Kardiomyopathie) oft eine Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachleuten erfordert, darunter Neurologen, Genetiker, Kardiologen und andere Spezialisten.

Forschung

In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung zur FA erhebliche Fortschritte gemacht. Es gab Fortschritte bei der Identifizierung von Biomarkern, die die Krankheitsentwicklung überwachen können und es wurden verschiedene therapeutische Ansätze untersucht. Klinische Studien mit dem Ziel, die Krankheitsprogression zu verlangsamen oder zu stoppen, wurden durchgeführt.

Seit Februar 2023 gibt es die erste zugelassene Behandlung. Zunächst in den USA zugelassen, läuft der Zulassungsprozess in Europa. Das Medikament namens Skyclarys soll die Progression verlangsamen. Wir sprechen nicht von Heilung oder Rückgang, sondern einer Verlangsamung des Fortschritts.

Es laufen global einige Medikamentenstudien, die meist von den USA ausgehen und finanziert werden. Auch an der Uni Klinik Innsbruck gibt es einen Forschungsschwerpunkt zur FA. In den USA gibt es eine Organisation namens FARA (Friedreich Ataxia Research Alliance – curefa.org), die unter anderem durch Radrennen (Ride Ataxia) Aufmerksamkeit und Spenden für die Forschung sammelt.

Hier findest du mehr Information: Grundlagen

Behandlung und Umgang

Es gibt keine Heilung der FA, noch gibt es eine Therapie, die nachweislich den Verlauf der Krankheit stoppen oder aufhalten kann. Das trifft sowohl auf die Schulmedizin als auch auf alternativmedizinische Behandlungen zu. Nichtsdestotrotz kann man mit FA leben. Es ist von Fall zu Fall unterschiedlich, wie das funktioniert, das muss jede*r selber herausfinden und entscheiden. Hier ein paar Hinweise, die sich als hilfreich herausgestellt haben.

Ärztliche Betreuung

Die FA ist eine neurologische Erkrankung, daher ist ein*e Neurologe*in hinzuziehen, wenn die Betreuung ausgesucht wird. Wahrscheinlich wird die FA nicht behandelt, weil es keine Behandlung gibt, aber der Mensch mit FA wird betreut! Das bedeutet, dass (1) unterstützende Therapien besprochen und organisiert werden, (2) Forschungen werden vorgestellt und (3) der Verlauf der Krankheit wird dokumentiert. Für Betroffene: Bereite dich vor! Du darfst Fragen stellen! Stell immer einen Bezug zu dir her. Grundsatzdiskussionen über die Vor- und Nachteile von Gentherapie bringen dich nicht weiter. Viel interessanter wäre, ob das für dich aus finanzieller, logistischer und medizinischer Sicht machbar wäre. Als medizinisches Fachpersonal: Bereite dich vor! Du betreust einen Menschen, keine Krankheit! Es kann passieren, dass du was machen musst, das außerhalb deines Wohlfühlgebiets liegt (Recherche, Austausch mit anderen Ärzt*innen,)! Hör deinen Patient*innen zu!

Rehabilitation

Als Patient*in kann man jährlich einen Antrag auf eine Reha in einem neurologischen Rehabilitationszentrum für 28 Tage stellen, solange man berufstätig ist. Spezifische Therapie stärken die Ausdauer, die muskuläre Kraft, das Gleichgewicht und die Koordination. Außerdem besteht die Möglichkeit zur psychologischen Betreuung. Viele Patient*innen nehmen die Reha regelmäßig in Anspruch und profitieren von der intensiven Therapieangeboten.

Hier findest Du das Antragsformular .
Achtung: Antragsteller*in ist der oder die Patient*in, aber die zweite Seite des Antrags muss von ärztlicher Seite ausgefüllt werden. Idealerweise vom Fachpersonal der Uniklinik Innsbruck oder dem AKH Wien.

Es ist wichtig, dass der Antrag von einem ärztlichen Fachzentrum (Innsbruck, AKH Wien) gestellt wird, da dadurch die Genehmigung sichergestellt werden kann. Außerdem sollte bei der Wahl des Rehabilitationszentrums auf Erfahrungen der dortigen Ärzte und Therapeuten mit FA geachtet werden, da dies wesentlich zum Reha-Erfolg beiträgt.

Folgende Rehabilitätszentren werden aufgrund positiver Erfahrungen empfohlen:

Die FA ist eine seltene neurologische Erkrankung und manche Häuser sind keine guten Anlaufstellen. Aber prinzipiell sind neurologische Einrichtungen gut zu empfehlen.

Physiotherapie

Als Patient*in mit FA wird früher oder später die Muskulatur schwächer, weil diese ein Problem mit dem Energiehaushalt hat und man sich von Haus aus wenig bewegt. Auf der anderen Seite braucht man aufgrund der neurologischen Defizite mehr Kraft. Wie so oft ein Paradoxon! Es empfiehlt sich, die Muskulatur und die Gelenke beweglich und geschmeidig zu halten.

Manche Physiotherapien oder Therapieeinheiten fokussieren sich eher auf das Gleichgewicht oder den Gleichgewichtssinn, andere auf die Koordination. Bei aktiven Therapien arbeitet der oder die zu Behandelnde, bei passiven Therapien der oder die Therapeut*in. Die richtige Mischung ist für jeden etwas anderes.

Ergotherapie

Das Wort leitet sich aus dem griechischen “ergein” = handeln, tätig sein ab; daher ist das Ziel der Ergotherapie immer eng verbunden mit der (Wieder-)Herstellung oder dem Erhalt der selbständigen Teilhabe des Menschen.

Ergotherapeut*innen sind auch die, die nützliche Lifehacks geben können und sich mit Hilfsmitteln auskennen. Augen-Hand-Koordination, Hand-und Fingerkraft und Feinmotorik sind ebenso Aspekte, die in der Ergotherapie trainiert werden können.

Sprachtherapie

Logopädische Übungen können helfen, deutlicher zu sprechen und die dort lokale Muskulatur (Zunge, Rachen, Hals) zu trainieren. Probleme mit dem Schlucken oder häufiges Verschlucken kann auch thematisiert werden.

Krafttraining

Bein- und Rückenübungen können die Muskulatur kräftigen, was mit fortschreitendem Alter sehr wichtig ist, um Schwäche und Schmerzen vorzubeugen. Je nach Progression kommen da unterschiedliche Übungen in Frage. Vielversprechend sind hier ganzheitliche Ansätze, um zu gewährleisten, dass auch das koordinierte Zusammenspiel der einzelnen Muskelgruppen trainiert wird.

Massagen

Massagen können helfen, Verspannungen in der Muskulatur zu lindern. Vor allem der Rücken (durch Skoliose) kann so entlastet werden. Für Menschen, die nicht per Fuß mobil sind, können so Gelenke mobilisiert werden.

Hippotherapie

Die Therapie findet tatsächlich auf dem Rücken eines Pferdes statt, das geht. Die Idee dahinter ist, dass der Mensch mit FA die Bewegungen des Pferdes wahr- und aufnimmt und diese dann so verarbeitet, dass die daraus gewonnenen Informationen dem eigenen Gangbild Unterstützung bieten.

Lokomotionstherapie /Laufbandtraining

Nein, das hat nichts mit langwierigen Ausdauer- oder Cardiotraining zu tun. Das Prinzip beruht zum einen auf grundlegenden plastischen Eigenschaften des zentralen Nervensystems und zum anderen auf den Mechanismen der neuronalen Gangkontrolle. Je nach Bedarf kann man auf unterschiedliche Unterstützungsgrade zugreifen. Totale Roboter Unterstützung bietet ein Lokomat. Mit Hilfe diesen Exoskeletts wird es auch für Rollstuhlfahrer*innen möglich von den Vorteilen des Gehens profitieren.

Steh(tisch)training (v.a. für Rollstuhlfahrer*innen)

Richtiges Stehen will gelernt sein und ist absolut gut gegen den Spitzfuß (mögliches Symptom der FA): Ausserdem

  • tut es Gelenken gut, weil sie mobilisiert werden,
  • es tut unserer Wirbelsäule, denn dafür wurde Sie gemacht,
  • es tut unserer Muskulatur gut, die dort arbeitet, wo sie das sonst nicht macht und
  • es tut unseren Waden gut, die etwas gedehnt werden.

Sport

Dass sich Sport und regelmäßige Bewegung positiv auf die physische Gesundheit auswirken, steht außer Frage. Unser Geist, oder unsere mentale oder psychische Gesundheit profitiert auch davon. Und FA zu haben, hindert niemanden daran, Sport zu treiben.

Man muss sich eingestehen, dass manches nicht mehr geht (z.B. Vereins-Basketball), Bei manchen Sportarten muss man Sachen anders machen (Fitnessstudio, Yoga, Pilates). Und viele neue Möglichkeiten ergeben sich durch den Para-Sport (Para-Tanz, Para-Rudern).

Ernährung

Es gibt keine bestimmte Ernährungsweise, an die man sich halten muss, aber grundsätzlich ist der Körper eines Menschen mit FA von Natur aus krank daher empfiehlt es sich den Körper nicht mit schwer verdaulichem Essen, Unmengen an Zigaretten regelmäßigen Alkoholkonsum herauszufordern.

  • Viel Gemüse und Obst
  • Viel Ballaststoffe
  • Viel Wasser und Tee
  • Weniger Zucker (ACHTUNG: gesüßte Limonaden)
  • Wenig Fleisch
  • Heimischer Fisch
  • Keine E-Nummern (künstliche Zusatzstoffe)
  • Regional und saisonal
  • Frisch kochen

Stress

Stress kann die Symptome der FA verschlechtern. Genügend Ruhe und Erholung wird empfohlen - Meditation, Entspannungsübungen und genug Schlaf. Gleichzeitig heißt es, aktiv zu bleiben (Arbeit, Therapie, Soziales,...).

Dieses Gleichgewicht aus Erholung und aktivem Lebensstil ist ein großes Thema in der Community, das oft bei Treffen besprochen wird. Ebenso ist mentale Gesundheit sehr wichtig. Psychotherapie oder eine Teilnahme an den Treffen der Selbsthilfegruppe kann zu Besserung führen.

Geschichte

Der deutsche Arzt Nikolaus Friedreich beschrieb die Erkrankung erstmals 1863 in einem wissenschaftlichen Artikel. Er identifizierte die typischen neurologischen Symptome, die die Krankheit charakterisieren, und nannte sie "spinale Ataxie". Friedreich leistete Pionierarbeit, indem er die genetische Vererbung der Krankheit erkannte.

Fast ein Jahrhundert nach Friedreichs Entdeckung wurde das GAA-Triplett-Repeat im Frataxin-Gen als Hauptursache für FA identifiziert. 1996 gelang es Forschern, das Gen zu isolieren und festzustellen, dass Menschen mit FA eine ungewöhnlich lange Anzahl von Wiederholungen des GAA-Codes in ihrem Frataxin-Gen aufweisen.

Andere Ataxien

Es gibt mehrere Arten von Ataxie, die verschiedene Ursachen haben können. Ataxie bezieht sich allgemein auf Koordinationsprobleme, insbesondere im Bereich der Muskelbewegungen. Da unsere Erfahrungen die FA betreffen, sind wir entsprechende FA-Expert*innen. Sollte es bei dir um eine andere Art von Ataxie gehen (z.B. SCAxy), versuchen wir natürlich auch hier hilfreich zu sein.

Hier sind einige Arten von Ataxie:

  • Spinale Ataxie: Die FA ist eine erbliche Form der spinalen Ataxie. Sie ist die am häufigsten vorkommende Art und dennoch eine seltene Erkrankung..
  • Zerebelläre Ataxie: Dies ist auf eine Schädigung des Kleinhirns (Cerebellum) zurückzuführen, was zu Problemen mit der Koordination und dem Gleichgewicht führt. Multiple Sklerose kann beispielsweise eine zerebelläre Ataxie verursachen.
  • Sensorische Ataxie: Diese Form der Ataxie entsteht durch Probleme im sensorischen System, insbesondere im Bereich der Propriozeption (Wahrnehmung der Position des Körpers im Raum). Diabetes kann eine sensorische Ataxie verursachen.
  • Opioide Ataxie: Manchmal können Medikamente, insbesondere Opioide, Ataxie verursachen.
  • Toxische Ataxie: Bestimmte Toxine oder Chemikalien können das Nervensystem schädigen und zu Ataxie führen.
  • Idiopathische Ataxie: In einigen Fällen ist die Ursache der Ataxie nicht eindeutig identifizierbar. Solche Fälle werden als idiopathische Ataxie bezeichnet.
In Memoriam BERNHARD BAUERNHOFER (1977-2021)

Bernhard war ein Pionier, Vorreiter und der erste aktive FA-Betroffene, der die Website fataxie.net (mittlerweile inaktiv) für den kompletten deutschsprachigen Raum erstellte, damit sich alle in Österreich, Deutschland und sogar der Schweiz über die Friedreich Ataxie und vieles andere im Internet austauschen konnten! Betroffene, Interessenten und Ärzte trafen sich damals im bekannten Forum der Website.

Außerdem entwickelte er ein System der Persönlichen Assistenz für die Steiermark und gründete deswegen den Verein Wegweiser - Selbstbestimmt leben mit persönlicher Assistenz in Graz.

Ruhe in Frieden …

Inhalt: Jakob Mitterhauser (Kontakt)
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